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Die Ringier-Druckerei Swissprinters AG schliesst im September – eine Ära geht zu Ende. Bild: ZT, Philipp Muntwiler
13.07.2024

Zofingen und die Medien

Ist Zofingen eine Medienstadt? Lesen sie die Story des Zofinger Tagblatts über die Druckereien, Zeitungen und Medienunternehmen, die seit fast 200 Jahren in Zofingen eine Rolle spielen und über eine Industrie im dauernden Umbruch.


Wie Zofingen zweimal zur Medienstadt wurde

Die Kleinstadt hatte früh eine eigene Zeitung, und später wurde sie zum Zentrum des Medienkonzerns Ringier – die Schliessung von Swissprinters im Herbst ist ein historische Zäsur, schreibt der Medienwissenschaftler Roger Blum*.

Was ist eine Medienstadt? Normalerweise versteht man darunter eine Stadt, in der eine Vielfalt von Medien beheimatet ist. In Zürich beispielsweise konzentrieren sich Tageszeitungen, Wochenzeitungen, Zeitschriften, Radios, Fernsehen, Online-Medien, Filmproduktionsfirmen, Werbe- und PR-Büros, Medienforschung. Andere Medienstädte in der Schweiz sind Bern, Basel, Luzern, Aarau, Chur, Lausanne, Genf oder Lugano.

Aber auch Zofingen war und ist auf seine Weise eine Medienstadt.

Im frühen 19. Jahrhundert, zur Zeit Napoleons, war in der Schweiz eine Medienstadt eine Stadt mit einer eigenen Zeitung. Die Regel war, dass in den grösseren Städten, die damals zwischen 10‘000 und 25‘000 Einwohner zählten, eine Zeitung herauskam. Der Druck einer Zeitung war nur dann rentabel, wenn in einer Stadt und in ihrer näheren Umgebung genügend lesekundige Menschen lebten. In fast allen Schweizer Kleinstädten mit Bevölkerungszahlen unter 5000 war das nicht der Fall.

 

Ungewöhnlich: eine Zeitung für eine kleine Stadt

Umso erstaunlicher ist, dass in Zofingen schon seit 1810 eine Zeitung erschien. Zofingen zählte damals nur etwa 2000 Einwohner. Es gab bloss zwei andere Kleinstädte, in denen zu jener Zeit ebenfalls Zeitungen erschienen: in der Thurgauer Kantonshauptstadt Frauenfeld mit etwa 3000 Einwohnern und in der Waadtländer Bäderstadt Yverdon mit 2500 Einwohnern. Zofingen war landesweit eindeutig die kleinste. Dank der eigenen Zeitung war Zofingen damals eine Medienstadt.

Dass hier die «Nachrichten von und für Zofingen» – ab 1811 umgetauft in «Zofinger Wochenblatt» – erschienen, ist dem Zofinger Bürger Daniel J. Sutermeister zu verdanken, einem Lehrer. Um seinen kärglichen Lehrerlohn aufzubessern, richtete er im Schulhaus (das sich in der Alten Kanzlei befand) eine Druckerei und einen Buchladen ein und gab eine Zeitung heraus. Die Zeitung war allerdings kein politisches Blatt, sondern ein Avisblatt, das angab, was zu kaufen und zu verkaufen ist. Als Sutermeister als Drucker begann, war er 42jährig. 19 Jahre später, mit 61, starb er. Zunächst führte darauf sein Vetter das Unternehmen weiter. Doch dann trat Benedikt Banga auf.

Banga war in Zofingen Zeichenlehrer und zugleich Redaktor an Sutermeisters Blatt. Da er aus der Landschaft Basel stammte, nahm er dort 1831/32 an der Revolution teil und wurde Sekretär des Verfassungsrates im neu gegründeten Kanton Baselland. Dieser neue Kanton brauchte für seine Publikationen – Amtsblatt, Gesetze, Proklamationen, aber auch für eine eigene Zeitung – eine Druckerpresse. Der Verfassungsrat beauftragte daher Banga, eine solche zu beschaffen, und bewilligte dafür 600 (damalige) Franken. Banga wusste natürlich, wo sich eine solche Druckmaschine auftreiben liess, und die Erben Daniel Sutermeisters konnten von dem offerierten Kaufpreis, der heute etwa 30‘000 Franken entspräche, nur angetan sein. Die Druckerpresse wanderte also nach Liestal, dort erschien ab Mitte 1832 die Zeitung «Der unerschrockene Rauraucher», deren Redaktor Banga wurde. Zofingen aber war seiner Zeitung beraubt. Nach wenig mehr als zwei Jahrzehnten war es keine Medienstadt mehr.

 

Johann Rudolf Ringier legt den Grundstein

Doch gab es da einen anderen Zofinger Bürger, der eineinhalb Jahre später den Grundstein dafür legte, dass Zofingen später, unter den Bedingungen des 20. Jahrhunderts, erneut eine Medienstadt wurde: Johann Rudolf Ringier. Wer waren die Ringiers? Sie waren ursprünglich Hugenotten aus Nîmes, die in Frankreich verfolgt wurden. Der Küfer Jean Ringier wurde 1527 – also vor bald 500 Jahren – in Zofingen eingebürgert. In der Kleinstadt an der Wigger nahmen dessen Nachkommen rasch wichtige Positionen ein. Viele waren Pfarrer oder Fabrikanten, mehrere wurden Schultheissen, einige gingen in die kantonale oder eidgenössische Politik. Gottlieb Ringier war Bundeskanzler. Und vor bald 200 Jahren wandte sich ein Zweig der Familie dem Druckergeschäft zu.

Denn Johann Rudolf Ringier (1803-1874) eröffnete Ende 1833 in der Unterstadt eine eigene Druckerei und führte das «Zofinger Wochenblatt» weiter. Er war 30-jährig. Aber er besass wenig unternehmerischen Ehrgeiz, sondern blieb Kleingewerbler, und dies galt auch für seinen Sohn Franz Emil Ringier (1837-1898), der das Geschäft fortführte. Mit dem «Zofinger Wochenblatt», das weitgehend ein Anzeigenblatt blieb, hatten die beiden wenig Erfolg. Als nämlich 1846 ein Konkurrent das «Zofinger Volksblatt» lancierte, das zweimal wöchentlich erschien und politisch-freisinnig positioniert war, geriet Ringiers Wochenblatt deutlich in die Defensive. Aus dem «Volksblatt» wurde 1873 das heutige Zofinger Tagblatt, und in ihm ging 1885 auch das Wochenblatt auf.

 

Erst die dritte Ringier-Generation expandiert

Erst der Drucker in der dritten Generation, Paul Ringier (1876-1960), der nach dem plötzlichen Tod seines Vaters bereits mit 22 Jahren die volle Verantwortung übernehmen musste, wurde zum innovativen und expansionsorientierten Unternehmer, der Zofingen wieder zur Medienstadt machte: Er brachte geschickt und mit Hilfe von Zufällen die «Schweizerische Allgemeine Volkszeitung» unter seine Kontrolle, gründete 1911 die «Schweizer Illustrierte Zeitung», 1921 die «Illustré» 1923 «Ringiers Unterhaltungs-Blätter» («Das gelbe Heft»), 1929 die «Sie und Er», besetzte das Feld der Radio- und Fernsehprogramm-Zeitschriften und wurde so rasch zum führenden Schweizer Medienunternehmer. Schon Mitte der zwanziger Jahre war Ringier der grösste Arbeitgeber Zofingens geworden; zu diesem Zeitpunkt konnte auch das neue Firmengebäude beim Bahnhof eröffnet werden. Zofingen war wieder Medienstadt!

Paul Ringier dirigierte das Unternehmen als absoluter Herrscher während sechs Jahrzehnten. Noch in der vierten Generation, unter Hans Ringier (1906-2003), blieb Zofingen zehn weitere Jahre das Herz des Unternehmens, dann wanderten immer mehr Bereiche nach Zürich ab, eigentlich gegen den Willen des Patrons, aber unter dem argumentativen Druck seines Direktionspräsidenten Heinrich Oswald. 1978 wurde an der Zürcher Dufourstrasse das Ringier-Pressehaus eröffnet – ein Zeichen dafür, dass hier nun die Schaltzentrale ist. Die fünfte Verlegergeneration, unter ihr der heutige Verwaltungsratspräsident Michael Ringier (geboren 1949), ist zwar noch in Zofingen aufgewachsen, agiert aber von Zürich aus. In Zofingen geblieben ist die Zeitschriften-Druckerei, die aber diesen Herbst geschlossen wird.

Zweimal wurde Zofingen durch Initiativen eigener Bürger zur Medienstadt. Zweimal wurde dem Städtchen der Titel wieder genommen. Zweierlei aber bleibt: Zofingen ist weiterhin der offizielle Firmensitz von Ringier. Dort arbeiten auch künftig über 100 Leute in den Bereichen Finance & Controlling, IT Infrastructure & Applications Services sowie im Ringier Customer Service Center, wie Ladina Heimgartner, CEO von Ringier Medien Schweiz, bestätigt. In der Villa Römerhalde in Zofingen befindet sich weiterhin die Ringier-Journalistenschule, die dieses Jahr ihren 50. Geburtstag feiert. Und indirekt verewigt ist Zofingen auch in den 36 «Ringgi und Zofi»-Bänden: Die von Tim und Struppi inspirierten Comic Strips, die zwischen 1948 und 1994 erschienen, behandelten Abenteuer des Reporters Ringgi zusammen mit seinem Dackel Zofi.

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Zofingen bleibt weiterhin der offizielle Firmensitz von Ringier. Bild: bkr (2018)
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Paul Ringier führte das Unternehmen mit harter Hand zum Erfolg. Bild: Ringier

Hinweise auf Bücher zum Thema:

Christian Lüthi, Manuela Ros, Annemarie Roth, Andreas Steigmeier: Zofingen im 19. und 20. Jahrhundert. Eine Kleinstadt sucht ihre Rolle. Baden 1999.

Andreas Müller: Geschichte der politischen Presse im Aargau. Das 19. Jahrhundert. Aarau 1998. Das 20. Jahrhundert. Aarau 2002.

Peter Meier, Thomas Häussler: Zwischen Masse, Markt und Macht. Das Medienunternehmen Ringier im Wandel (1833-2009). 2 Bände. Zürich 2010.

 

*Unser Gastautor

Der Historiker, Journalist und Medienwissenschaftler Roger Blum (1945) war von 1989 bis zu seiner Emeritierung 2010 Professor für Medienwissenschaft an der Universität Bern. Von 2016 bis 2020 war er  Ombudsmann der SRG der Deutschschweiz. Kontakt: mail@roger-blum.ch.